Rundfunkbeitrag 18,36€: Netflix + Amazon Prime sind günstiger!

Das Bundesverfassungsgericht hat am 20. Juli 2021 darüber entschieden, dass die Blockade zur Erhöhung des Rundfunkbeitrages durch das Land Sachsen-Anhalt die Rundfunkfreiheit verletzt. Im Ergebnis wird der deutsche Rundfunkbeitrag ab dem 20. Juli 2021 auf 18,36 Euro erhöht. Ein Netflix-Basis-Abo und ein Amazon Prime Abo kosten jeweils 7,99€ pro Monat. Zusammen also monatlich 15,98€. Ist der Rundfunkbeitrag in der heutigen Zeit / Form noch zu rechtfertigen?

Vorweg: Dieser Beitrag dient nicht dazu stupides „Rundfunkbeitrag“-Bashing zu betreiben.

Was ist der Rundfunkbeitrag?

Der Rundfunkbeitrag ist von jedem wohngeeigneten Haushalt zu entrichten. Er löste im Jahr 2013 die GEZ („Gebühreneinzugszentrale“) ab. Die Zahlungen gehen an den Beitragsservice ARD ZDF Deutschlandradio und finanzieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestehend aus Fernsehen, Hörfunk und Internetangeboten. Arbeitslose, Sozialhilfe- oder Hartz-IV-Empfänger, BAföG-Beziehende und Asylbewerber können sich von dem Rundfunkbeitrag befreien lassen.

Was ist Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?

Was wird mit dem Rundfunkbeitrag finanziert? Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ergibt sich aus Art. 5 GG, konkretisiert durch § 26 Abs. 1 MStV (früher: § 11 Abs.1 RStV):

Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.

Bereits an dieser Stelle zeigt sich, dass der Vergleich mit Netflix und Amazon Prime nicht ganz passt. Die privatwirtschaftlichen Angebote forcieren primär die Sparte Unterhaltung, während die öffentlich-rechtlichen Angebote die Aspekte Bildung, Information und Beratung betonen.

Welche Länder erheben keine Rundfunkgebühren?

Während man seine Abonnements bei Netflix und Amazon Prime kündigen kann, geht das beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht. Nur wer das Land verlässt und in ein Land zieht, welches keinen Rundfunkbeitrag erhebt, „kündigt“. Daher hört man oft den Begriff „Zwangsabgabe“.

Keine Rundfunkgebühren werden in Andorra, Belgien, Bulgarien, Estland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, den Niederlanden, Rumänien, Russland, Spanien, der Ukraine, Ungarn und Zypern erhoben. Den den Rundfunkgebühren entsprechenden öffentlichen Finanzierungsanteil erhalten die dortigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten über Steuern aus dem Staatshaushalt. Im Endeffekt zahlt man also direkt oder indirekt für öffentlich-rechtliche Rundfunk-Angebote.

In Österreich kann man sich zumindest von der GIS (Rundfunkgebühren) abmelden. Das hat Valentina Dapunt von Minimal Frugal gemacht. Sie zeigt in einem YouTube-Beitrag wie das geht.

Was passiert, wenn man die Zahlung einstellt?

In Deutschland sind dagegen alle Haushalte gesetzlich zur Zahlung der Rundfunkgebühren verpflichtet. Wer der Forderung des Beitragsservices nicht nachkommt, muss zunächst mit einem Säumniszuschlag rechnen. Verweigert man weiterhin die Zahlung, wird vollstreckt – inklusive Gerichtsvollzieher sowie Gehalts- und Kontopfändung. Es kann sogar drei Monate Beugehaft angeordnet werden. Deshalb sitzt z.B. der Jurist Georg Thiel derzeit im Gefängnis.

Nutze ich Angebote des ÖR-Rundfunks?

Ich selbst konsumiere Medien-Inhalte vor allem auf YouTube. Am liebsten schaue ich Videos, die mir einen Mehrwert bieten, d.h v.a. Beiträge aus denen ich etwas lernen und mich weiterbilden kann. Vereinzelt abonniere ich Netflix oder Amazon Prime. Bei Netflix interessieren mich die Serien Black Mirror und Orphan Black. Bei Amazon Prime bin ich von Mr. Robot und Startup fasziniert. Bei ARD und ZDF kann ich vor allem dem Format „Die Anstalt“ vieles abgewinnen. Ansonsten schaue ich hin und wieder die Heute Show und Dokumentationen vom Y-Kollektiv.

Bin ich für oder gegen den Rundfunkbeitrag?

Grundsätzlich nehme ich eine sehr freiheitliche Sichtweise ein. Das bedeutet jeglicher Zwang, der auferlegt wird, bedarf einer Rechtfertigung. Beispielsweise habe ich kein Problem mit der „Gurtpflicht im Auto“, da hier das Gesundheitsinteresse der Verkehrsteilnehmer überwiegt. In dieser Hinsicht ist die Grundidee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch gutzuheißen. Denn am Markt lassen sich insbesondere Angebote im Bereich Bildung, Information und Beratung schlechter monetarisieren. Eine investigative Doku mit kritischer Berichterstattung z.B. über Missstände in einem Unternehmen würde etwaige Werbekunden vergraulen. Gleichsam baut z.B. Netflix sein Angebot an Dokumentationen aus. Ob eine finanzielle Förderung solcher Bildungs-Initiativen über den Rundfunkbeitrag oder über Steuern aus dem Staatshaushalt erfolgt, muss evaluiert werden. In meinen Augen liegt der Hauptaspekt daher in der Förderung kultureller Angebote, die es am Markt schwer haben, über irgendeine Abgabe (Steuer, Gebühr).

Warum ich gegen die Erhöhung des Beitrages bin?

In der Hinsicht empfinde ich die Höhe des derzeitigen Rundfunkbeitrags und dessen Erhöhung jedoch als überzogen. Im Geschäftsjahr 2020 lagen die Erträge aus dem Rundfunkbeitrag bei rund 8,1 Milliarden Euro – wohlgemerkt für ein Angebot, das sich vor allem an Menschen in Deutschland richtet. Netflix hat im selben Jahr 17,3 Milliarden US-Dollar in Inhalte investiert und Amazon für die Sparten Prime Video und Prime Music 11 Milliarden US-Dollar. Mit etwas mehr Geld hat es die Privatwirtschaft geschafft, ein weltweites Unterhaltungsangebot zu bieten.

Durch Erhöhung des Rundfunkbeitrages wurden Anreize für effizientere Strukturen genommen. Das öffentlich-rechtliche Rundfunk-Angebot erhält man für monatlich 18,36€, ein Netflix-Basis-Abo und ein Amazon Prime Abo zusammen für für 15,98€. Die Beitragserhöhung wird vor allem mit der Investition in Content begründet. Gleichsam leistet man sich mit der ARD und dem ZDF eine ineffiziente Doppelstruktur. Eine Zusammenlegung würde dagegen zu zahlreichen Synergie- und Kosteneinsparungs-Effekten führen. Eingeweihte der unabhängigen Finanzkommission Kef schätzen, dass Personal und Pensionszahlungen mit 40% der Sender-Kosten zu Buche schlagen.

Sicherlich gibt es noch den ein oder anderen Kritikpunkt. Diese lasse ich hier aber mal beiseite.

Zusammenfassung: Rundfunkbeitrag

Zusammengefasst hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in der heutigen Zeit noch seine Berechtigung. Das Finanzierungsmodell und die Höhe der aktuellen Beiträge sind gleichsam diskussionswürdig. An vielen Stellen sind Kosteneinsparungen vor allem durch Abbau unnötiger Verwaltungsstrukturen wünschenswert, damit Gelder – wie versprochen – in Inhalten landen. Es bleibt zu hoffen, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf seine Kernaufgabe (Bildung und Information) fokussiert sowie Netflix und Amazon Prime ihre Bildungs-Angebote ausbauen.

Mischa Finance

LG Mischa Finance · Business · Finance · Digital

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert