Deutsche Vermögensteuer · Mehr (Un-)Gerechtigkeit?

Immer häufiger hört man aus der Politik den Ruf nach einer Vermögensteuer. Dadurch soll Ungerechtigkeiten in der Vermögensverteilung in Deutschland entgegengewirkt werden. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird seit 1996 hierzulande keine Vermögensteuer mehr erhoben. Wie steht es um die Verfassungsmäßigkeit einer Wiedereinführung? Schafft eine Vermögensteuer mehr (Un-)Gerechtigkeit? Ein paar Gedanken zur aktuellen Steuer-Debatte.

Was ist die Vermögensteuer?

Die Vermögensteuer ist im deutschen Steuerrecht eine Substanzsteuer auf das Reinvermögen eines Steuerpflichtigen. Besteuert wird dabei das Gesamtvermögen abzüglich der Schulden.

Was ist die gesetzliche Grundlage?

Eine Steuer auf das Vermögen geht zurück auf das Preußische Ergänzungssteuergesetz. Im Deutschen Reich und der Weimarer Republik wurden mit dem Wehrbeitrag, der Kriegsabgabe und dem Reichsnotopfer einmalige Vermögensabgaben erhoben. 1952 beschloss der Deutsche Bundestag das Vermögenssteuergesetz. Dieses Gesetz ist bis heute in Kraft, die Erhebung der Substanzsteuer aber ausgesetzt. Dies geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück.

In Art. 106 Abs.2 GG ist die Vermögensteuer explizit genannt („Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu: die Vermögensteuer […]“). Es handelt sich um eine Landessteuer.

Ist das mit der Verfassung zu vereinbaren?

Mit Beschluss vom 22. Juni 1995 hat das Bundesverfassungsgericht die damalige Erhebung der Vermögensteuer in ihrer konkreten Form für verfassungswidrig erklärt. Das lag aber v.a. daran, dass Immobilienvermögen gegenüber anderem Vermögen besser behandelt wurde und somit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorlag. Die verfassungskonforme Wiedereinführung in der heutigen Zeit ist daher denkbar. Interessanterweise hat man damals festgestellt, dass die steuerliche Gesamtbelastung „in der Nähe einer hälftigen Teilung“ zwischen Steuerzahler und Fiskus bleiben müsse. Von diesem Grundsatz hat man sich verabschiedet. In anderen Worten: Es geht nunmehr in Ordnung, wenn der Staat mehr als 50% vom Steuerzahler für sich beansprucht.

Was spricht für eine Vermögensteuer?

Politisch lassen sich Befürworter einer solchen steuerrechtlichen Maßnahme im Spektrum links-grün einordnen. Sie argumentieren, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird. Insbesondere bei Menschen, die viel Vermögen haben, soll daher etwas genommen und an die sozial Schwächeren umverteilt werden. Man könnte es als gelebte Ausprägung des Grundsatzes der sozialen Marktwirtschaft verstehen oder „Robin-Hood-Staat“ nennen. Da zudem ab einem gewissen Vermögen der Grenznutzen von Geld abnimmt, scheint die Einbuße bei „Reichen“ kaum spürbar, während die Mehreinnahmen des Fiskus für eine Umverteilung bemerkbar sind.

Was spricht gegen eine Vermögensteuer?

Auf der Gegenseite des wirtschaftlich-liberalen Politikspektrums kritisiert man, dass eine solche Steuer das Tempo der Steuerflucht beschleunigt. Leistungsträger sind es satt, höhere Steuern zu zahlen und ständig am Pranger zu stehen, die soziale Ungerechtigkeiten zu bestärken. Unter Umständen könnte es sich sogar um eine verbotene Doppelbesteuerung handeln, da z.B. bereits versteuertes Kapital- bzw. Arbeitseinkommen einer erneuten Besteuerung unterliegt. Zudem ist die Wertermittlung kompliziert (aber nicht unmöglich). Da Vermögen zumeist nicht liquide ist, sondern in Immobilien und Unternehmen gebunden ist, müsste die Steuer im schlimmsten Fall aus der Substanz bezahlt werden. Da Besteuerungsgrundlage das Gesamtvermögen abzüglich der Schulden ist, sind Umgehungskonstruktionen durch Kreditaufnahmen die Türen geöffnet.

Fazit: Mehr (Un-)Gerechtigkeit in Deutschland?

Das sind grob die zwei Positionen, die vertreten werden. Ich persönlich versuche beide Seiten zu verstehen. Spannend ist für mich daher der Blick in die Schweiz. Als eines der wenigen Länder der Welt, gibt es hier eine Vermögensteuer. Unternehmen und reiche Personen haben dem Land gleichsam nicht den Rücken gekehrt. Allerdings wäre es verfehlt, dieses Ergebnis unreflektiert 1:1 auf Deutschland zu übertragen. Schließlich setzt die Schweiz im Gegenzug auf eine sehr liberale Steuergesetzgebung mit niedrigen Steuern und hohen Freibeträgen. Deshalb denke ich, dass eine Steuer auf das Vermögen stets im Gesamtkontext zu sehen ist. Eine Vermögensteuer ist nicht das Ende des Abendlandes. Sie ist aber nur gerechtfertigt, wenn die Steuerlast und Regulierungsdichte nicht erschlagend sind. Ihre Einführung im jetzigen Umfeld ist populistisch. Mit marktkonformen Steuerreformen kann ich sie mir dagegen vorstellen. Anders formuliert: Weniger Steine im Weg nach oben, dafür darf der Staat später einen Teil der Ernte kassieren.


Mischa Finance

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